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Tolle Planungen, trostloser Alltag?
Arbeiten in Architekturbüros
Thomas Welter


Die öffentliche Wahrnehmung des Berufsbildes der Architekten und Stadtplaner ist gespalten. Zum einen wird sie geprägt
vom persönlich, eigenverantwortlich und fachlich unabhängig handelnden Angehörigen der Freien Berufe, der geistig-ideelle Leistungen im Interesse seines Auftraggebers und der Allgemeinheit erbringt. Zum anderen vom gut ausgebildeten Planer, der - um in angesehenen Architekturbüros ohne oder
mit nur geringem Einkommen Gebäude entwerfen zu können - nachts Taxi fahren oder Zeitungen austragen muss. Dieser Beitrag untersucht die Rahmenbedingungen der Arbeitsplätze von Architekten und Stadtplanern in Deutschland.


Von den rund 100000 zum 1.1.2006 in die Kammerlisten eingetragenen und beruflich aktiven Architekten, Stadt-planer, Innen- und Landschaftsarchitekten sind rund 45000 angestellt und rund 4000 beamtet tätig. Hinzu kommen die Planer, die zwar von Ausbildung und Tätigkeit her als Architekt oder Stadtplaner bezeichnet werden könnten, aber aufgrund ihres Verzichts auf Mitglied-schaft in einer Architektenkammer den gesetzlich geschützten Titel Architekt, Stadtplaner, Innenarchitekt oder Landschaftsarchitekt nicht führen dürfen. Den Angaben der Erwerbstätigenstatistik des Statischen Bundesamtes zufolge gibt es in Deutschland derzeit rund 60000 angestellt tätige Architekten und Stadtplaner bzw. Diplom-Ingenieure für Architektur oder Stadtplanung.

Gemäß der Beschäftigtenstatistik des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung arbeiten rund vierzig Prozent der angestellten Architekten und Stadtplaner (einschließlich der nicht in die Kammerlisten eingetragenen Personen) in einem Planungsbüro und rund zwanzig Prozent in der öffentlichen Verwaltung. Rund ein Viertel verdient sein Gehalt in einem Unternehmen des Baugewerbes oder in der Immobilienwirtschaft. Die restlichen rund fünfzehn Prozent arbeiten in verwandten Berufsfeldern in technischen, kulturellen und organisatorischen Bereichen wie zum Beispiel im Facility Management, in der Energieberatung, bei Banken oder Versicherungen, in Planungsabteilungen großer Unternehmen des Produzierenden Gewerbes, in Unternehmensberatungen, in Schu-len oder bei Weiterbildungsträgern, in Verlagen oder in Kammern und Verbänden. Architekten und Stadtplaner verfügen über vielfältige Berufsmöglichkeiten, auch wenn in jeder Nische nur eine kleine Anzahl der Berufsangehörigen unterkommt.

Angespannter Arbeitsmarkt
Der Arbeitsmarkt für Architekten und Stadtplaner ist durch ein starkes Überangebot an Arbeitskräften gekennzeichnet. Die Anzahl der Mitglieder der Architektenkammern der Länder ist seit Mitte der Neunzigerjahre um rund 25000 Personen auf nunmehr 118300 Architekten, Stadtplaner, Innen- und Landschaftsarchitekten gestiegen. Jedes Jahr scheiden zwischen 2500 und 3500 Berufsangehörige altersbedingt aus dem Berufsleben aus. Gleichzeitig strömen jährlich zwischen 5500 und 6500 Absolventen aus den Universität und Fachhochschulen auf einen regional unterschiedlichen Arbeitsmarkt. Die durchschnittliche Arbeitslosenquote unter Architekten und Stadtplanern verharrt seit Jahren um die Marke von zehn Prozent. In Ballungszentren liegt sie deutlich darüber. In Berlin ist beispielsweise jeder vierte Architekt (inklusive der nicht in die Kammerlisten eingetragenen Personen) ohne regelmäßige Beschäftigung.

Dieser Befund bedeutet allerdings nicht, dass ar-beitslose Architekten und Stadtplaner häufig von Langzeitarbeitslosigkeit betroffen sind. Laut Angaben der Bundesagentur für Arbeit betrug die durchschnittliche Dauer der Arbeitslosigkeit in den letzten fünf Jahren zwi-schen 260 und 290 Tagen. Diese Werte zeigen einen sehr dynamischen Arbeitsmarkt für Architekten und Stadtplaner, der durch häufige Arbeitsaufnahme und neue Arbeitslosmeldungen gekennzeichnet ist. Die hohe Zahl der arbeitslosen Architekten ist somit nicht gleichzusetzen mit Langzeitarbeitslosigkeit bei allen Betroffenen. Allerdings steigt die durchschnittliche Länge der Arbeitslosigkeit - wie in fast allen Branchen - mit dem Alter des Ar-beitslosen deutlich an.

Aufgrund des angespannten Arbeitsmarktes stehen vor allem die Einstiegsgehälter der angestellten Architekten und Stadtplaner seit Jahren unter Druck. Gleichzeitig sind die Architektengehälter in Deutschland regional und nach Berufserfahrung stark differenziert. Verallgemeinernd verdienen angestellte Architekten im Süden Deutschlands mehr als im Norden. Dies gilt ebenso im Vergleich der westlichen mit den östlichen Bundesländern. Gemäß den Gehaltsdaten einer von Spiegel Online mit der Erstellung eines Gehaltsreports beauftragten Personalagentur erhält ein Architekt in den östlichen Bundesländern ein durchschnittliches Jahresgehalt von 32500 Euro brutto. In den westlichen Bundesländern liegt der Durchschnitt bei 36000 Euro brutto.Ausführliche Informationen zu den Gehältern der Architekten und Stadtplaner bieten die Gehaltsumfragen der Architektenkammern Baden-Württemberg, Nieder-sachsen und Nordrhein-Westfalen. Hier zeigt sich, dass die gezahlten Gehälter erheblich von der Berufserfahrung abhängen. So verdienen mittlere Angestellte mit mehr als zwanzig Jahren Berufserfahrung rund fünfzig Prozent mehr als ihre Kollegen, die frisch von der Univer-sität oder Fachhochschule kommen. Architekten in Füh-rungspositionen und mit mehr als zwanzig Jahren Be-rufserfahrung verdienen rund doppelt so viel wie ihre jüngeren Kollegen.

Zusätzliche Leistungen üblich
Trotz der schwierigen wirtschaftlichen Lage eines Großteils der knapp 37000 Architektur- und Stadtplanungsbüros in Deutschland sind Gehaltsanpassungen, so genannte freiwillige Sozialleistungen, die Förderung des Besuchs von Fortbildungsveranstaltungen durch den Ar-beitgeber und der Ausgleich für Überstunden üblich. Bei rund Zweidrittel der Architekten und Stadtplaner werden die Gehälter angepasst. Dies erfolgt in Planungsbüros mehrheitlich in unregelmäßigen Abständen, während die Gehälter in der gewerblichen Wirtschaft und im öffentlichen Dienst überwiegend eine regelmäßige Anpassung erfahren. Freiwillige soziale Leistungen werden häufig gewährt und zwar in Form von zusätzlichen Monatsgehältern, Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld oder vermögenswirksamen Leistungen. Die Gewährung von Fortbildun-gen während der Arbeitszeit erfolgt in rund Zweidrittel aller Arbeitsverhältnisse und dies zumindest mit einer teilweisen Übernahme der Kosten. In rund der Hälfte der Arbeitsverhältnisse werden die Kosten sogar ganz übernommen. Eine finanzielle Vergütung von Überstunden erfolgt in weniger als jedem zwölften Arbeitsverhältnis. Dagegen erhalten rund Zweidrittel aller angestellten Ar-chitekten und Stadtplaner einen Freizeitausgleich für ihre Überstunden.

Knapp zehn Prozent der angestellten Architekten und Stadtplaner arbeiten ohne einen schriftlichen Ar-beitsvertrag. Über neunzig Prozent aller Arbeitsverträge sind zeitlich nicht befristet. Hierbei ist allerdings zu be-achten, dass rund 90 Prozent der Architektur- und Stadt-planungsbüros weniger als fünf Mitarbeiter beschäftigen und somit vereinfachten Kündigungsschutzregelungen unterliegen.

Die Arbeitsverhältnisse für Architekten und Stadt-planer sind in der Regel tariflich nicht gebunden. Größe-re Planungsbüros und gewerbliche Arbeitgeber halten sich eher an die unverbindlichen Tarifempfehlungen. Ta-rifverträge werden zwischen den beiden Arbeitgeberver-bänden, dem Arbeitgeberverband Selbständiger Ingeni-eure und Architekten (ASIA) und dem Arbeitgeberver-band Deutscher Architekten und Ingenieure (ADAI), und zwei Gewerkschaften, der Vereinigten Dienstleistungsge-werkschaft Verdi und der Industriegewerkschaft Bauen Agrar Umwelt, verhandelt.

Geringe Chancen für Absolventen
Die seit neun Jahren kontinuierlich sinkende Nachfrage nach Architektenleistungen hat zu einer Stagnation auf dem Stellenmarkt für Architekten und Stadtplaner ge-führt. Dies bekommen vor allem Architekturabsolventen und ältere, arbeitslose Architekten und Stadtplaner zu spüren. Die Anforderungen an die Qualifikation sind in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen. Vor allem Berufserfahrungen, die dem Tätigkeitsbild der zu beset-zenden Stelle entsprechen, werden vorausgesetzt. Routi-nierte Kenntnisse in den gängigen EDV-Anwendungen werden ebenso gefordert wie Teamfähigkeit, selbständi-ges und zielorientiertes Arbeiten, Einsatzbereitschaft, Belastbarkeit bei Termin- und Kostendruck, Durchset-zungsfähigkeit und souveränes Auftreten.

Trotz dieser schwierigen Ausgangsposition nehmen nach Angaben des Hochschulinformationszentrums rund 70 Prozent eines Absolventenjahrgangs innerhalb von zwölf Monaten nach dem Examen eine Erwerbstätigkeit auf. Rund zehn Prozent arbeiten mit Honorar- oder Werkverträgen. Allerdings geht in den ersten Jahren nach dem Examen mehr als die Hälfte eines Jahrgangs nicht einer Architektentätigkeit im engeren Sinne nach. Dies veranschaulicht die lange Übergangszeit, die junge Architekten und Stadtplaner zu Beginn ihres Berufsle-bens in Kauf nehmen müssen.

Fazit: Der Alltag für angestellte Architekten und Ingenieure in deutschen Planungsbüros, Unternehmen und Verwaltungen kennt zwei Gruppen. Diejenigen, die den Einstieg geschafft haben bzw. bereits länger für den-selben Arbeitsgeber tätig sind, arbeiten in der Regel zu vernünftigen Gehältern und haben ein zufrieden stellen-des Arbeitsumfeld. Für diejenigen, die wegen Kündigung oder Insolvenz des früheren Arbeitsgebers auf Arbeitssu-che sind, und vor allem für diejenigen, die seit Ende der Neunzigerjahre die Hochschule bzw. die Fachhochschule verlassen haben, stehen die Chancen, sich in den klassi-schen Bereichen der Architektur und Stadtplanung zu etablieren, äußerst schlecht. (vgl. auch DAB 12/2005).

Dr. Thomas Welter ist Referent für Wirtschaft und Gesellschaft der Bundesarchitektenkammer

(Quelle: )


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